Judith Siegmund
Erinnern ist Vergessen. Vergessen ist Erinnern.
Fotografien und Texte, 66,5 x 66,5 cm, 2010/2012
Judith Siegmund fotografierte während eines Atelieraufenthaltes 2010 urbane Orte der Erinnerung aus ihrer Kindheit in Rostock. Zu jedem fotografischen Bild stellte sie ein sprachliches Erinnerungsbild. Judith Siegmund fasst die Erinnerungen an erlebte Kindheitswirklichkeit einerseits in Sprachbilder, die imaginäre, assoziative Räume öffnen. Andererseits erzeugt die Konfrontation von imaginierter Erinnerung und fotografischer Dokumentation ein Nachdenken über Veränderungen, denn die in den Texten beschriebenen (Erinnerungs-) Bilder sind auf den Fotografien zumeist nicht mehr zu finden. Transformationsprozesse und der visuelle Wandel, gestützt durch den Wandel der Ideologien, werden in dieser zeitlichen Distanz, die der subjektive Blick der Erinnerungen schafft, sichtbar. Sauber gefegte Straßen, renovierte Fassaden und aufgeräumte Gärten scheinen an ihre jüngste Vergangenheit lieber nicht erinnern zu wollen, sondern fordern durch den restauratorischen Akt die Erinnerung an den mittelalterlichen Ursprung ihre Unschuld zurück. Die Diskrepanz und Nichtübereinstimmung der textlichen und fotografischen Erinnerungsbilder vermittelt Einsichten in diesen Verdrängungsprozess. Subjektive Erinnerungen als Bilder aus der Kindheit prallen auf die klinische Aufgeräumtheit der Rostocker Innenstadt.
1965 geboren, lebt und arbeitet in Berlin